Ich schieb noch den Artikel der LTO hinterher https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/abschiebung-ausweisung-palaestina-aktivisten-rechtswidrig-eugh-freizuegigkeit-berlin
Danke, gerade die letzten Absätze geben einen guten und erschreckenden Einblick in die Hierarchie der Berliner Innenbehörde zwischen “Staatsräson” und Rechtsstaat/Grundrechten.
Unabhängig von der Rechtmäßigkeit ist klar, dass es sich hier um eine Einschüchterungstaktik handelt. Es soll eben mindestens auch ein Exempel statuiert werden. “Das ist sehr ungewöhnlich, dass hier die Freizügigkeit entzogen wird, ohne dass überhaupt eine Anklage vorliegt”, sagt Anwalt Düsberg. Ein Allerweltsvorgang ist es auch nach Einschätzung der unbeteiligten Experten nicht. Dass ein Ausweisungsgrund hier jedenfalls auch im Widerstand gegen die Staatsräson besteht, verdeutlichen zudem einige Formulierungen in den Bescheiden.
Mit stark wertenden Worten wird der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verurteilt, bei dem auf israelischer Seite 1.200 Menschen getötet und 250 als Geiseln verschleppt wurden. Das Verhalten der Aktivist:innen wird nach den Auszügen aus den jeweiligen LKA-Berichten “im Ergebnis auch als (wenn auch lediglich mittelbare) Unterstützungshandlung” zugunsten der Hamas und ihrer Vorfeldorganisationen gewertet. Dass die Proteste sich gegen Israels Kriegsführung in Gaza richteten, verschweigen die Bescheide ebenso wie die massive internationale Kritik daran, auch durch den Internationalen Gerichtshof sowie den Internationalen Strafgerichtshof.
Zur deutschen Staatsräson heißt es: “Insbesondere das Existenzrecht, der Schutz und die Integrität des Staates Israel sind deutsche Staatsräson und gerade mit Blick auf die historische Verantwortung Deutschlands für Jüdinnen und Juden im Bundesgebiet und auf dem Staatsgebiet Israels von ganz gewichtiger Bedeutung und ganz besonders schutzwürdig.” Daher liege es “im erheblichen gesellschaftlichen und staatlichen Interesse, dass diese Staatsräson jederzeit mit Leben gefüllt wird und zu keiner Zeit – weder im In- noch im Ausland – Zweifel daran aufkommen, dass gegensätzliche Strömungen im Bundesgebiet auch nur geduldet werden”. Das kann man als (generalpräventive) Warnung verstehen.
Deutscher Artikel zu den Hintergründen vom 03.04.25 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190246.pro-palaestinensische-proteste-ohne-urteil-vier-aktivisten-werden-wegen-staatsraeson-ausgewiesen.html
Zwei der mit Deportation bedrohten Personen identifizieren sich als Trans und würden bei Vollstreckung jeweils in die USA und nach Polen deportiert. Die Senatsverwaltung für Inneres in Berlin, die die Deportationen gegen die rechtlichen Bedenken der LEA vorantreibt, wird von Iris Spranger (SPD) geführt.
Es ist leider ein weiterer Fall der zeigt, dass den dominierenden Kräften der Berliner Politik nichts schützenswerter ist als die Durchsetzung der Staatsräson. Für die CDU ist es nicht verwunderlich, dass sie damit gegen internationale, feministische und kulturell wie wissenschaftlich progressive Kreise vorgehen kann. Für die SPD ist es ein weiterer Tiefpunkt in ihrer Entwicklung zu einer reaktionär-autoritären Partei.