»Schützen wir die Polizei vor Verdruss und Schererei. Wenn ein Räuber überrascht wird und das Weglaufen vergisst: Ja, wer schützt den Polizist?«, fragt und singt der Komponist Georg Kreisler.

Seine Worte hallen am Samstagnachmittag aus den Lautsprechern einer Demonstration am Kottbusser Tor im Berliner Ortsteil Kreuzberg.

»Statt der Funkstreifwagen Panzer! Wer drin sitzt, kann zwar nichts seh’n, doch es kann ihm nichts gescheh’n. Außerdem an jeder Ecke zwei Kanonen für die Leut‘, sie wer’n seh’n wie sich Ihr Schutzmann drüber freut«, tönt Kreislers Gesang aus den Boxen, unweit von der Polizeiwache am Kotti entfernt.

Zur Demonstration aufgerufen hat die Gruppe »Görli 24/7«, die sich gegen repressive Maßnahmen wie verstärkte Polizeiarbeit oder den geplanten Zaunbau im Görlitzer Park ausspricht.

Am Samstag demonstrieren sie gegen »Polizeiterror« im Görlitzer Park, der »einen neuen lebensbedrohlichen Tiefpunkt« erreicht habe, wie der Aktivist Flo Grünbaum auf der Demonstration sagt.

Die Aktivistinnen haben einen symbolischen Zaun vor der Polizeiwache am Kotti aufgestellt, um Berlinerinnen vor der Polizei zu schützen.

Es sind schwere Vorwürfe, die die Gruppe gegen die Polizei erhebt: Zwischen dem 17. Dezember und dem 26. Dezember 2024 soll ein »Streifenwagen ohne Licht und mit hohem Tempo« Menschen durch den Park und durch angrenzende Straßen »gehetzt« haben, heißt es in einer Mitteilung.

Flo Grünbaum sagt »nd«, dass er mindestens von zehn Menschen wisse, die solche Hetzjagden erlebt hätten. Die Informationen darüber sei der Gruppe »akkumuliert« zugegangen, nachdem immer mehr Leute von den Hetzjagden betroffen gewesen sein sollen.

Die Gruppe geht laut den Schilderungen der Betroffenen und von Zeug*innen davon aus, dass es sich um dieselben zwei männliche Polizisten handelt, die Gewalt ausüben sollen.

Mit bis zu 70 km/h sollen sie in ihrem Streifenwagen gefahren sein. Die Beamten hätten teilweise Pfefferspray aus dem Auto auf Menschen gesprayt.

Betroffene berichten der Gruppe von der Angst, angefahren zu werden, weil sie nichts sehen konnten.

Außerdem würden »nur schwarze Menschen von den Polizisten kontrolliert« werden, heißt es in der Mitteilung von Görli 24/7, die die Informationen, die erhalten haben so zusammenfasst:

»Kontrollierte Personen würden ohne Anlaß geschlagen oder mit Pfefferspay besprüht, sie würden rassistisch beleidigt. Anzeigen, Tatvorwürfe oder andere Begründungen für die Kontrollen seien den Betroffenen nie genannt worden, es habe auch sonst nie schriftliche Belege gegeben.«

Die Betroffenen sind am Samstag nicht vor Ort. Grünbaum erklärt, dass es sich um die Vulnerabelsten der Gesellschaft handele: Wohnungslose, Geflüchtete und Drogenabhängige.

Fehlende Aufenthaltstitel erhöhten die Angst, über erlittene Polizeigewalt in der Öffentlichkeit zu sprechen.

Die Nachfrage an Grünbaum, ob die Gruppe in Kontakt mit der Polizei sei, verneint dieser. »Die sollen ihren Laden selbst unter Kontrolle halten«, sagt er.

Einen öffentlichen Brief an die Polizei mit Forderungen habe die Gruppe dennoch verfasst. »Die Polizei muss diese lebensbedrohende und menschenverachtende Praxis im Görlitzer Park einstellen, öffentlich aufarbeiten und die beiden Polizisten sofort aus der Polizei entlassen«, teilt Görli 24/7 mit.

Die Pressstelle der Polizei konnte bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgeben, eine Sprecherin kündigte diese jedoch zeitnah an.

Niklas Schrader, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sagt »nd«, dass ihn »immer wieder Berichte von diskriminierendem und übergriffigem Verhalten der Polizei« erreichten.

Er fordert die Innensenatorin auf, den Vorwürfen nachzugehen und Konsequenzen zu ziehen, sollten sie diese erhärten. Wenn die Polizei so auftrete, »ist sie Teil des Problems und nicht der Lösung«, sagt Schrader.

Im September 2023 beschloss der schwarz-rote Senat die Umzäunung und nächtliche Schließung des Parks, die seither für Kontroversen sorgt.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg reichte gegen die Umzäunung des Görli Klage ein – inzwischen liegt diese dem Oberverwaltungsgericht vor.

Die Folgen einer Politik, die nichts gegen steigende Mieten unternehme und an der Wohnungslosenhilfe spare, zeige sich laut den Aktivist*innen besonders im Görlitzer Park an den vielen Wohnungslosen, die von der Polizei als »Sicherheitsrisiko« abgestempelt würden, wie die Aktivistin Marie sagt.

»Die Politik schafft soziale Probleme selbst, die sie dann mit sogenannter Sicherheitspolitik lösen will«, sagt sie.

Statt repressiver Sicherheitspolitik brauche es soziale Sicherheit, zum Beispiel durch mehr Investitionen in die soziale Arbeit und bezahlbaren Wohnraum.

Seit der Sicherheitsdebatte um den Görlitzer Park habe sich die Anzahl der Laternen im Park laut Flo Grünbaum »verzwei- oder dreifacht.« Hinzu kommen zwei Flutlichtanlagen, die dauerhaft scheinen, solange es dunkel ist.

Am Montag findet um 19 Uhr eine offene Veranstaltung des Naturschutzbunds BUND in der Görlitzer Straße 1–3 im Görlitzer Park statt. Thema ist die »Lichtverschmutzung«.

Pressesprecherin Carmen Schultze erklärt »nd«, dass »extrem viel Licht« in der Tierwelt zu Verwirrung führe. »Gerade Insekten kommen dann nicht zur Ruhe«, sagt Schultze.

Auch die Gruppe Görli 24/7 kommt nicht zu Ruhe und will weiter Druck aufbauen, damit der »Polizeiterror« ende. »Wir fordern bis dahin einen Sicherheitszaun um jedes Polizeirevier«, wie die Initiative mitteilt.

Sie gehen davon aus, »dass auch in Zukunft Lebensgefahr für alle nächtlichen Parkbesucher durch wiederholte Polizei-Hetzjagden im Görli und an den angrenzenden Gehwegen besteht«.