In Magdeburg reißt eine Serie von Angriffen auf Menschen mit Migrationsgeschichte nicht ab. Drei Vorfälle allein im neuen Jahr hat die Polizei bereits bestätigt.

Zu möglichen Drohbriefen im Briefkasten mehrerer Familien mit Migrationshintergrund werde ermittelt.

Beratungsstellen hatten schon einen Tag nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt über eine Zunahme von Übergriffen auf als migrantisch wahrgenommene Menschen berichtet.

Die Serie offenbar rassistisch motivierter Angriffe auf als migrantisch wahrgenommene Menschen in Magdeburg reißt nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt vor gut zwei Wochen nicht ab.

Wie die Polizei in Magdeburg MDR SACHSEN-ANHALT am Sonnabend bestätigte, sind allein am Freitag zwei weitere Fälle hinzugekommen.

Über sie hatte ein Betroffener zunächst bei Instagram berichtet. Der 24 Jahre alte Syrer war demnach am Freitagabend in einer Straßenbahn rassistisch beleidigt worden.

Laut Polizei sind Strafanzeigen gegen einen 67 Jahre alten Beschuldigten geschrieben worden. Der Deutsche muss sich demnach unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Beleidigung verantworten.

Berichte über Drohbriefe in Briefkästen mehrerer Familien mit Migrationshintergrund wollte die Polizei zunächst nicht bestätigen. Man habe aber auch hier Ermittlungen aufgenommen.

In einer gemeinsamen Erklärung hatten vier von sieben Magdeburger Stadtratsfraktionen am Freitag den Betroffenen des Anschlags ihr Mitgefühl ausgesprochen.

Zugleich hatten sie ihre Besorgnis über die Angriffe auf Menschen mit Migrationsgeschichte erklärt: “Solche Übergriffe sind abscheulich und widersprechen allem, wofür unsere Stadt steht. Wir verurteilen sie aufs Schärfste.”

Sie riefen die Menschen in Magdeburg dazu auf, “achtsam miteinander umzugehen”. Die Stadt dürfe jetzt nicht gespalten werden, sondern brauche Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung:

“Bitte zeigt Rücksicht, unterstützt einander und handelt, wenn ihr seht, dass jemand bedroht oder angegriffen wird. Magdeburg darf nicht von Angst und Hass beherrscht werden.”

Fast 20 Prozent der Stadtbevölkerung hätten einen “multiethnischen Hintergrund”, sagte Blau. “Leider berichten die Polizei und die Migrantenorganisationen von einer steigenden Zahl rassistischer Angriffe, die seit dem Attentat gemeldet werden”, sagte er und forderte “entschlossenen Schutz, Zusammenhalt und gesellschaftliche Solidarität für alle Magdeburgerinnen und Magdeburger.”

Die Zahl der von den Behörden offiziell bestätigten Vorfälle ist gut zwei Wochen nach dem Anschlag von Magdeburg lang. Zuletzt wuchs sie nahezu täglich

Ein erster Angriff hatte sich noch am Abend des Attentats am 20. Dezember ereignet: Dabei soll ein Deutscher einen Mann mit Migrationsgeschichte in der Ernst-Reuter-Allee mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben.

Der mutmaßliche Angreifer habe zudem gesagt: “Wegen Leuten wie dir passiert sowas”. Das bestätige Innenministerin Tamara Zieschang in einem Schreiben.

Ebenso den Fall vom 21. Dezember: Dort soll ein anderer Mann im Breiten Weg von einem Unbekannten von einem Fahrrad gestoßen und beleidigt worden sein.

Ebenfalls am 21. Dezember soll eine Gruppe Menschen, die vorher eine Demonstration am Hasselbachplatz besucht hatte, am Magdeburger Hauptbahnhof eine Person beleidigt haben. Das schreib die Tageszeitung taz.

Am 22. Dezember wurde im Breiten Weg ein weiterer Mann von einem Unbekannten geschlagen und mit den Worten “Verpiss dich in dein Land und lieg uns Deutschen nicht weiter auf der Tasche” beleidigt.

Am selben Tag, dem 22. Dezember, gingen in einem Döner-Imbiss in Halle fünf Anrufe mit unterdrückter Nummer ein. Die Anrufer hätten ausländerfeindliche Beleidigungen geäußert.

Am 23. Dezember war nach Angaben der Innenministerin außerdem eine Frau in der Otto-von-Guericke-Straße zunächst verbal bedroht und anschließend geschlagen worden. Der mutmaßliche Angreifer soll unter anderem “Wir vergasen euch alle” gerufen haben.

Am 24. Dezember, das berichtete eine Intensivkrankenpflegerin der Magdeburger Uniklinik der Tageszeitung taz, seien sie und ihr Mann am Hasselbachplatz von einem Betrunkenen zunächst rassistisch beleidigt und schließlich mit der Faust ins Gesicht geschlagen worden.

Der Mann habe auch einen Hitlergruß gezeigt. Polizisten hätten den Angreifer kurz darauf in Gewahrsam genommen, schrieb die Zeitung und verwies auf ihr vorliegende Videos.

Am 28. Dezember wurde eine Frau aus Iran im Magdeburger Hauptbahnhof bespuckt und rassistisch beleidigt. Entsprechende Schilderungen hat die Bundespolizei bestätigt.

Am 1. Januar hatte es in Magdeburg einen gewaltsamen und mutmaßlich rassistisch motivierten Angriff auf einen Mann gegeben. Der Syrisch-Deutsche Kulturverein Magdeburg teilte mit, dass am Neujahrstag ein Mann mit Migrationsgeschichte von sechs Tätern angegriffen wurde.

Demnach attackierten fünf Männer und eine Frau den 31 Jahre alten Mann mit Bierflaschen und Stöcken. Anschließend sei die Gruppe geflüchtet. Der Mann kam schwer verletzt in ein Krankenhaus.

Die Polizei bestätigte den Vorfall an der Straßenbahnhaltestelle “Bahnhof Neustadt” und bat Zeugen, die den Vorfall beobachtet haben, sich zu melden.

Die Berichterstattung über die Fälle ins Rollen gebracht hatte die Tageszeitung “taz”. In ihrem Bericht waren mehrere Betroffene zu Wort gekommen. Autor des Textes ist Michael Trammer.

Der freie Journalist sagte MDR SACHSEN-ANHALT im Dezember, viele Menschen mit Migrationsgeschichte hätten das Gefühl, von einigen in Magdeburg für den Anschlag verantwortlich gemacht zu werden.

Laut der Fach- und Beratungsstelle für Gewalt- und Radikalisierungsprävention “Salam” hatten Magdeburger und Magdeburgerinnen mit Migrationsgeschichte von “extrem feindseliger Stimmung” in der Stadt berichtet.

So seien vermeintliche Migrantinnen und Migranten, die als muslimisch eingestuft wurden, auf der Straße als “Terroristen”, “Verbrecher” und “Pack” beschimpft, bespuckt, geschubst und körperlich angegriffen worden.

In einem Fall sei ein Mensch von vier Personen angegriffen und geschlagen worden, in einem anderen Fall sei gegen ein Auto getreten worden. Er habe in mehr als zehn Jahren in Magdeburg noch nie so eine bedrohliche Stimmung erlebt, wurde ein Student zitiert.

Die Aussagen der Beratungsstelle waren schon kurz nach dem Anschlag durch ähnliche Berichte des “Netzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt” (Lamsa) gestützt worden.

Lamsa berichtete, dass Rechtsextreme mehrere Personen durch Magdeburg gejagt hätten.

Gegen Mitarbeitende und Mitglieder des Verbandes soll es Angriffe, Bedrohungen und Beleidigungen gegeben haben.

Das Netzwerk zeigte sich empört darüber, dass der Anschlag instrumentalisiert werde. Magdeburg, so die Forderung, dürfe nicht zum Spielfeld rechter Hetze werden.